Bilder der Hoffnung
Bilder und Projekte, die Hoffnung machen

Alte und neue Gegner: Was können wir von den Pionieren der Umweltbewegung lernen?

„Das Fräulein Rachel Carson den Herstellern von Insektiziden Eigennutz vorwirft, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass sie mit dem Kommunismus sympathisiert, wie so viele Schriftsteller gegenwärtig. Wir können ohne Vögel und Tiere leben, aber nicht ohne Wirtschaft, wie der momentane Markteinbruch zeigt.“

Brief zur Herausgabe des Buches „Der Stumme Frühling“ 1962"

Zu den ältesten Themen der Natur- und Tierschutzbewegung gehört die Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft. In kaum einem Bereich waren auch die Erfolge so gering bzw. nicht vorhanden. Spätestens seit der Veröffentlichung des Bestseller „Der stumme Frühling“ im Jahr 1962 kamen die dramatischen Folgen eines ungebremsten Pestizideinsatzes in den Fokus der aufkeimenden Umweltbewegung und konzentrierten sich auf Supergifte wie DDT. Hier konnten auch vergleichsweise schnell globale Erfolge wie das Verbot erzielt werden. Diese (später) globale Bewegung zur Eliminierung von Supergiften geht maßgeblich auf die Arbeit von Rachel Carson zurück. Im Rahmen ihrer Arbeit für die US-Fischereibehörde hatte sie sich schon früh mit der Auswirkung von Pestiziden auf bestimmte Artengruppen wie Fische beschäftigt. Bis zum Erscheinen von „Silent Spring“ vergingen aber viele Jahre weiterer Forschungsarbeit. Aus ihrer Arbeit für den  „Fish and Wildlife Service“  verfügte sie über ein umfangreiches Netzwerk an Experten, die sie mit Informationen versorgten. Zum Zeitpunkt der Arbeit von Rachel Carson Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts erforderten Forderungen oder Veröffentlichungen, die unmittelbar die chemische Industrie angriffen oder deren Absatzmärkte gefährdeten, großen Mut und die Bereitschaft, umfassende persönliche Angriffe und Verunglimpfungen zu ertragen. Rachel Carson erwartete heftige Kritik und Klagen wegen Verleumdung oder Geschäftsschädigung.
Ein unkritisches Wachstumsmodell und ein fast religiöser Glaube an die chemische Industrie als Wachstums- und Fortschrittsmotor waren damals weit verbreitet, und differenzierte Diskussionen zum Thema eher selten. Eine differenzierte Sicht wie die folgende von Heini Ringger im Jahr 1987 war damals kaum denkbar:
„Der Zauber der Chemie beschert uns eine buntfarbige Welt, die heilung vieler Krankheiten, neue Wirkstoffe als Grundlage moderner Technologien und häufig Nahrungsüberschüsse. Der Zauber der Chemie beschert uns als Kehrseite der Medaille unübersehbare Risiken bei der Produktion, bei der Lagerung und beim Verbrauch von Chemikalien“ .
Schon vor Verkaufsbeginn des Buches sorgte „The Silent Spring“ für heftigen Widerstand seitens der chemischen Industrie. Die in Chicago ansässige Velsicol Chemical Corporation, Hersteller von Chlordan und Heptachlor, drohte mit rechtlichen Schritten und deutete in dem Schreiben auch an, dass Rachel Carson Teil einer ausländischen Verschwörung sein könne, die auf diese Weise der USA schaden wolle. DuPont, damals einer der wichtigsten Hersteller von DDT, ließ die schon vor dem Verkaufsbeginn des Buches erschienenen Medienberichte untersuchen und versuchte, ihre voraussichtliche Auswirkung auf die öffentliche Meinung abzuschätzen. Als Gegenmaßnahme erschienen eine Reihe von Broschüren und Artikel, die den Gebrauch von Pestiziden befürworteten.
Rachel Carsons Arbeiten hatten einen erheblichen Einfluss auf die US-amerikanische Umweltbewegung: Gegen Ende der 1950er Jahre waren die großen Naturschutzorganisationen noch weitgehend unpolitische und eher lokal aktive Verbände. Die von Rachel Carson angestoßene umfangreiche öffentliche Debatte sorgte für eine Politisierung und war Anlass für das Entstehen zahlreicher Initiativen auf lokaler Ebene.

Bilanz und heutige Herausforderungen
Gleichzeitig wurde allerdings in weniger offensichtlichen Bereichen die Intensivierung und Industrialisierung der Landwirtschaft in den meisten Staaten der Erde dramatisch vorangetrieben, die sich insbesondere mit den folgenden Schlagworten charakterisieren lässt
• Flurbereinigung: Zerstörung von Biotopstrukturen innerhalb der Feldflur zugunsten von großen, effektiv bewirtschaftbaren Schlägen
• Entwässerung von Feuchtstandorten wie Mooren und Feuchtwiesen, anschließend intensiver Ackerbau
• Entkoppelung der Tierhaltung von der Betriebsfläche durch Importfuttermittel und Massentierhaltungssysteme
• Intensiver Ackerbau – auch auf ungeeigneten Standorten – mit Hilfe von unbegrenztem Einsatz von Mineraldünger
• Einführung industrialisierter Bewirtschaftungssysteme wie die Kombination aus Gentechnisch veränderten Pflanzen und maßgeschneiderten Pestiziden.
Im Gegensatz zu diversen anderen Themen der Umweltbewegung sind im Bereich der landwirtschaftlichen Massenproduktion kaum Erfolge zu verzeichnen, eher eine Problemverstärkung. Kleine Nischenmärkte für umweltbewusste und zahlungskräftige Verbraucher dienen der Agrarlobby eher als Feigenblatt, um vom Megatrend auf dem Großteil der Fläche bzw. Tierhaltung abzulenken.

Warum nach der Massenbewegung für Naturschutz bis in die späten 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts – gerade auch in der Landwirtschaftspolitik – nach dem Erscheinen von „Der Stumme Frühling“ 1962 später wieder Ruhe einkehrte, erklärt Robert van den Bosch, Wissenschaftler an der University of California, 1980 mit Blick auf die von ihm als „Pro-Pestizid-Mafia“ bezeichneten Netzwerke so:
„… eine sehr mächtige Koalition von Institutionen und Individuen, die keine Veränderung wollen und erfolgreich abweichende Meinungen zum Verstummen gebracht und Anstrengungen in Richtung einer Reform hintertrieben haben“ .

Claus Obermeier (Auszug älterer Buchbeitrag, teilweise aktualisiert)


Dieter Steiner: Rachel Carson

»Die Macht ihres Wissens und die Schönheit ihrer Sprache machten sie zu einer der einflussreichsten Frauen unserer Zeit«, schrieb die New York Times über die amerikanische Biologin Rachel Carson. Ihr Buch »Silent Spring« (»Der stumme Frühling«), 1962 veröffentlicht, rüttelte die Welt auf: Sie machte darin auf den maßlosen Gebrauch von Pestiziden aufmerksam - und auf dessen Folgen. Die Naturschutzbewegung politisierte sich in der Folge und neue Umweltbewegungen wurden gegründet.
Dabei war sie eigentlich Meeresbiologin und hatte bereits mehrere Bücher über das Leben im und am Meer geschrieben - in einer einzigartigen Kombination von Wissenschaft und Poesie. Dank Carsons außergewöhnlichem Gespür für Naturbeobachtung und ihrem schriftstellerischen Talent waren diese zu Bestsellern geworden und hatten die junge Naturwissenschaftlerin landesweit bekannt gemacht.
Rachel Carsons ökologisches Denken fand in »Der stumme Frühling« eine praktische Umsetzung. Es gilt bis heute als »Zündfunke der weltweiten Umweltbewegung« (Süddeutsche Zeitung). Auch wir können uns von dieser mutigen und engagierten Frau inspirieren lassen - wie die erste deutschsprachige Biographie beweist.

(Verlagsinfo oekom)

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