Die Fridays for future Bewegung hat junge Menschen in unglaublich hoher Zahl auf die Straßen und zu Demonstrationen gebracht und so den Druck auf die Politik drastisch erhöht. Das ist neu und ein riesiger Erfolg. Grundlegende Forderungen, technische Lösungsansätze und Analysen gesellschaftlichen Änderungen wurden aber in den Grundzügen bereits seit vielen Jahren entwickelt und veröffentlicht, für Deutschland spätestens seit "Zukunftsfähiges Deutschland" (1997).
Der BUND gab 1996 gemeinsam mit Misereor die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung“ beim Wuppertal-Institut in Auftrag. Sie hat das Konzept des globalen Umweltraums bekannt gemacht. Der Umweltraum bezeichnet den Raum, den die Menschen in der natürlichen Umwelt benutzen können, ohne wesentliche Charakteristika nachhaltig zu beeinträchtigen.
In zahlreichen aktuellen Studien zur Klimapolitik Deutschland wie den sogenannten "Zielpfadestudien" der letzten Jahre wird deutlich: Zwar bilden sie technisches Transformationspotential und teilweise auch ökonomische Aspekte für Deutschland gut ab, doch berücksichtigen sie kaum (wenn auch mit großen Unterschieden im Detail) die globalen Debatten zur Verteilungsgerechtigkeit knapper Güter bei einer stark steigenden Weltbevölkerung sowie Daten zu den Ressourcenvorräten von Flaschenhalsrohstoffen. Auch Akzeptanzfragen des angestrebten Maximalausbaus der Windkraft und Photovolatik an Land (im Vergleich mit Szenarien eines „nur“ starken Ausbaus mit gleichzeitiger gesetzlicher Drosselung der Stromnachfrage in bestimmten Bereichen bzw. zu bestimmten Zeiten wie der Spitzenlastnachfrage oder bei Flaute) kommen kaum vor . Schließlich setzen die einzelnen Studien bzw. Szenarien teilweise auf extrem teure und dauerhaft kaum vertretbare Brückentechnologien wie neue Gaskraftwerken (BCG/BDI) und / oder auf eine umfassende Nutzung von Speicher- und Abscheidetechnologien, bei denen Details und Zeitpunkt einer Umsetzbarkeit im großen Maßstab noch offen sind, erst recht nach dem Ukrainekrieg.
Global dürften sie bei einer sich verschärfenden Debatte zur Erreichung der Klimaziele kaum hohe Zustimmung finden. So rechnet die Oxfam-Studie „Carbon Inequality in 2030: Per capita consumption emissions and the 1.5C goal“ aus, in welchem Ausmaß sich die Klimafussabdrücke zwischen dem reichen und den ärmeren Bevölkerungsgruppen unterscheiden werden und wie groß daher auch die Unterschiede im Veränderungsbedarf sein werden.
Auch diverse Zielkonflikte zwischen den einzelnen Schutzgütern des Natur- und Klimaschutzes bei einem Maximalausbau gegenüber einem sehr starken Ausbau werden meistens nur am Rande angesprochen. Insofern bleiben viele Studien trotz umfassender und detaillierter Analysen zu möglichen technischen Umsetzungspfaden in einzelnen Problemfeldern hinter dem bereits Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrtausends erreichten Diskussionsniveau zu einer global nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung zurück. So hat das Wuppertal-Institut im Rahmen der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ bereits 1996 grundlegende Analysen unter dem Überbegriff „Das Umweltraum-Konzept: Ökologie und Gerechtigkeit“ vorgelegt. Als Ergebnis wurden dort folgende Leitlinien für die Ressourcennutzung vorgestellt:
• Von einer erneuerbaren Ressource darf nicht mehr genutzt werden, als sich in der gleichen Zeit regeneriert.
• Es dürfen nur so viele Stoffe in die Umwelt entlassen werden, wie dort aufgenommen werden können.
• Die Umsätze von Energie und Stoffen müssen auf ein risikoarmes Niveau abgesenkt werden.
Zentral war schon damals die Frage, ob sich bestimmte Transformationsziele oder Maßnahmen nur im extrem reichen Deutschland umsetzen lassen oder auch global. Hierzu führte Zukunftsfähiges Deutschland aus:
„Es ist sehr wohl möglich, dass ein Staat innerhalb seiner Grenzen eine ökologisch verträgliche Entwicklung praktiziert, (…) aber gleichzeitig Ressourcen anderer Länder in einem Ausmaß beansprucht, welches diesen die Möglichkeit zukunfsfähiger Entwicklung nimmt und insgesamt eine zukunfsfähige Entwicklung gefährdet“.
Auch für die deutschen Umweltziele wurde mit "Zukunftsfähiges Deutschland", den diversen Nachfolgestudien und dem nachfolgenden gesellschaftlichen Diskurs bereits ein Diskussionsniveau erreicht, das auch viele – teils untereinander konkurrierenden – Ziele berücksichtigt und nicht nur einzelne isoliert betrachtet. Als Ergebnis wird in den meisten Sektoren eine Kombination aus technischen Transformationen und einer (unterschiedlich starken) Senkung des Konsum- bzw. Verkehrsniveaus im Sinne neuer nachhaltiger Lebensstile gefordert.
Claus Obermeier (Auszug älterer Buchbeitrag, aktualisiert)