Mit einer beeindruckenden Festrede zum 100. Geburtstag des Bund Naturschutz würdigte Heribert Prantl (leitender Redakteur Süddeutsche Zeitung) die Rolle des Verbandes und lokaler Bürgerinitiativen bei der Bewahrung der bayerischen Heimat.
"Selig sind die Unruhegeister, denn sie werden uns die Heimat erhalten.«
Mit diesem etwas gewagten, aber perfekt passenden Rückgriff auf die Bergpredigt zeigte er den großen Rahmen für die Naturschutzbewegung auf, der im zermürbenden und nervenaufreibenden Tagesgeschäft oft vergessen wird. Der Schutz intakter Naturlandschaften – nicht unbedingt jede Detailfrage des Alltagsumweltschutzes – ist keine Modeerscheinung oder Hobby, sondern essenzieller Grundbestandteil jeder Zivilisation und ethische Verpflichtung für jeden Menschen. So sehen es auch die meisten Religionen und Wertesysteme, und so empfinden auch die allermeisten Menschen, wie Meinungsumfragen immer wieder zeigen.
Die große Herausforderung für die Naturschutzbewegung ist also nicht, diese Werte bei den Menschen oder in Gesetzen neu verankern zu müssen – sie sind oft schon da und müssen nur angesprochen werden. Die große Herausforderung ist es, ethisch fragwürdigen Netzwerken aus Technokraten, Profiteuren und Rattenfängern das Handwerk zu legen, die in offener Missachtung von demokratisch beschlossenen Naturschutzgesetzen und mit falschen Versprechungen profitable Planungen durchsetzen.
Der Erfolg an der Donau, aber auch die Analysen der vielen Niederlagen bei ähnlichen Projekten zeigen die großen Herausforderungen, vor denen die Umweltschutzbewegung steht und die sicher auch eine weitere Konzentration von Budgets und Zeiteinsatz auf wirklich entscheidende Projekte nach sich ziehen wird.
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Neben diesen eher organisatorischen und strukturellen Punkten darf aber der wichtigste und schwierigste Faktor nicht vergessen werden, und darauf wiesen in verschiedener Form alle Autoren in diesem Buch hin: Immer waren es einzelne Vorkämpfer, die erst die Grundlagen für die folgende »Selbstläuferbewegung« legten und dafür Verunglimpfung, wirtschaftliche Nachteile oder sogar Verleumdung und Beleidigungen in Kauf genommen haben. Sie stehen in der Tradition herausragender Menschen der Geschichte, die aufstanden, wenn andere sitzen blieben, die ihr Wort erhoben, wenn andere schwiegen, die den Blick über ihr eigenes Leben hinaus rich- teten zugunsten von Schwachen, Verfolgten, Tieren und Pflanzen, kommender Generationen.
So formulierte Anton Mayer, der viele Jahre gegen die Zerstörung seiner Heimat durch den Rhein-Main-Donau-Kanal kämpfte, angesichts der Niederlage: »Hätte ich nicht Widerstand geleistet, müsste ich mich heute schämen.« Er hat die Wende an der Donau nicht mehr erlebt. Aber wenn wir mit diesem Buch die Erfolge für die Natur feiern oder einen Sonnenuntergang an der frei fließenden Donau verbringen, wenn schon bald der Kampf um die Donauauen wieder durch andere Themen verdrängt sein wird, sollten wir immer daran denken, in welcher Tradition wir stehen, und darauf stolz sein. Um Kraft zu schöpfen für den nächsten Kampf.
Claus Obermeier (älterer Buchbeitrag bzw. Vortragsrede, gekürzt)
Die aktualisierte Rede von Heribert Prantl ist unter dem Titel "Hoffen auf produktive Unruhe" in seinem Buch "Die Kraft der Hoffnung - Denkanstösse in schwierigen Zeiten" enthalten (SZ 2017).